Der Tagebaubetreiber Vattenfall lud am Donnerstagabend zu einer Bürgerversammlung in das alte Bahngebäude der Stadt Welzow, jetzt Besucherzentrum "excursio" ein um über Lärm- und Staubbelastung zu informieren. „Die so genannten Informationen waren eine Farce hoch zehn", resümierte Hannelore Wodtke von der Bürgerinitiative „Vermutete Bergschäden" den Abend. So stellten die Vertreter Vattenfalls Ullrich Höhna und Henrik Ansorge, sowie einige mitgebrachte Gutachter nur hochgerechnete Mittelwerte für Lärm und Staub vor, jedoch ohne die Spitzenwerte zu benennen.

Nach Angaben von Ullrich Höhna betrage der Lärm innerhalb der Stadt Welzow nur 30 bis maximal 45 Dezibel. Das Bundesumweltministerium deklariert diese Geräuschpegel zwischen dem Ticken einer Uhr und einem nahen Flüstern, merkte Wodtke an. In der wenige hunderte Meter neben der Stadt liegenden Tagebaugrube emittiere beispielsweise die Bandanlage 116 Dezibel oder der Schaufelbagger 112 Dezibel, berichtete Höhna bei der Vorstellung von Lärmschutzmaßnahmen. Das entspricht ungefähr dem Lärm eines startenden Düsenjets. Auch beim Staubniederschlag liegen Welzow und Neupetershain mit Mittelwerten von maximal 0,1 g/m²*d weit unter der Grenze des Gesetzgebers von 0,35 g/m²*d, berichtete Norbert Suritsch von der Münchner Firma BBM.

„Wenn wir ihren Erläuterungen Glauben schenken würden, wären Tagebaurandorte die himmlischsten Städte der Welt. Welzow könnte glatt als ruhiger Luftkurort durchgehen", kritisierte die Neupetershainerin Petra Franz die Vorstellung der Daten von Vattenfall. Franz berichtete von eigenen Lärmmessungen, die Nachtwerte zwischen 70 und 75 Dezibel ergaben. „Wir haben uns extra vom Umweltverband BUND ein geeichtes Messgerät besorgt", so die Neuptershainerin. Franz wies darauf hin, dass Lärmmessungen nur wenige Male im Jahr durchgeführt werden, und dann Mittelwerte errechnet werden. Dadurch wird keinesfalls die Realität abgebildet. „Der monotone Lärm ist trotz geschlossener Fenster unerträglich, insbesondere wenn Ostwindlagen vorherrschen", sagte Wodtke. Lösungsvorschläge lieferten die Konzernvertreter hingegen kaum. Die Mitarbeiter im Tagebau werden angehalten, mit dem Thema Lärm in der Nacht sensibler umzugehen. Außerdem wolle der Konzern die Förderbrücke besser koordinieren, erklärte Höhna.

„Offensichtlich ist der Konzern nicht gewillt, das Problem ernsthaft anzugehen", sagte Wodtke. Die Bürgerinitiative hält daher ihre Forderung nach einem immer wieder in Rede stehenden Nachtarbeitsverbot am Tagebau Welzow von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr aufrecht.

Ullrich Höhna von Vattenfall berichtete weiter, dass ab Freitag für einen Monat eine mobile Messstation in der Spremberger Strasse in Welzow aufgestellt werde. Der Konzern stellt dafür eine ausgemusterte und zum Verkauf stehende Lärmmessstation für vier Wochen kostenlos der Stadt Welzow zur Verfügung. Den Kauf der 60.000 Euro teuren mobilen Messstation zur permanenten Messung werde die Stadt nicht in Betracht ziehen, sagte der Stadtverordnete Dr. Günter Seifert. „Es wird wenigstens mal einen Monat etwas ruhiger" kommentierte Hannelore Wodtke die Ankündigung.

Heftigen Streit gab es zudem über die Einordnung von Welzow. Die Stadtverordneten Lutz Frauenstein und Dr. Günter Seifert (beide Bürgerforum Stadtumbau Welzow) stellten nochmal eindringlich klar: Welzow bestehe nicht aus Industrie-Mischgebieten wie Vattenfall behauptet, sondern aus allgemeinen Wohngebieten und reinen Wohngebieten, bei denen niedrige Lärmgrenzen gelten. Diese Aussagen wiesen die Vertreter von Vattenfall zurück. Für den Konzern seien viele Teile von Welzow Mischgebiete. Das Pikante dabei ist, dass dies nur für den bestehenden Tagebau (Teilfeld I) gilt. Sollte der neue Tagebau (Teilfeld II) kommen, geht Vattenfall davon aus, dass die gleichen Areale in Welzow Wohngebiete sind, sagte Wodtke.

Entschädigungen für die Belastung der Menschen am Tagebaurand werde es eventuell erst geben, wenn der neue Tagebau kommt, verkündete Henrik Ansorge von Vattenfall. „Das ist Erpressung. Sie wollen sich die Zustimmung der Menschen kaufen. Wir leben aber jetzt hier mit dem Lärm und Dreck, und nicht erst in 10 Jahren", kritisierte Wodtke unter großem Beifall im Saal. Am geplanten Flughafen BER sollen die Menschen mit etwa 30 Prozent des Wertes ihrer Häuser entschädigt werden. Warum geht so was nicht auch in Welzow, fragte Wodtke. Der Vattenfall Vertreter Ansorge beendete darauf die Diskussion barsch: „Schluss damit jetzt. Wir sind hier nicht am Verhandlungstisch."

Die Diskussion um die Lärmbelastung am Tagebaurand wird indes weiter gehen. Am 14. November lädt die Bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Sabine Niels zu einem Fachgespräch ihrer Fraktion um 19.00 Uhr in die „Haltestelle" Cottbus (Straße der Jugend 94, 03046 Cottbus) ein. Der unabhängige Sachverständige Peter Immekus aus Nordrhein-Westfalen (Netzwerk Bergbaugeschädigter) wird dort zusammen mit Betroffenen und Ulrich Obst (Landesbergamt Berlin-Brandenburg) nach Lösungen suchen. (http://gruene-fraktion-brandenburg.de/veranstaltungen/fachgespraech-laermbelastung-im-umfeld-von-tagebauen)